Ein bisschen verrückt sind sie schon, die Franzosen. Was jeder Autofahrer hierzulande tunlichst vermeiden will, wird dort bewusst gezielt herbeigeführt, liebevoll organisiert und gefeiert – der Stau.

Picard - Orange - 2019

Einmal im Jahr sammeln sich abwechselnd in Lapalisse (Auvergne) und Tourves (Provence) alte Fahrzeuge bis Baujahr 1965. Die Ortsdurchfahrt wird gesperrt und dann wird gestaut, was das Zeug hält. Gerade so, wie es die Franzosen von ihren Urlaubsfahrten gen Süden auf der N7 kennen. Und in diesem Jahr waren wir dabei; mit unserem Ami 6 in Tourves.

Nach einem arbeitsreichen und intensiven Restaurationswinter 2017/2018 stand fest, wir fahren mit dem Ami 6 in die Provence. Baujahr 1964, 602 ccm und stramme 24,5 PS, da war bereits die Routenplanung eine Herausforderung. Sparsam mit dem Gepäck, Autobahnen und starke Steigungen möglichst vermeiden, das war die Devise und Richtschnur für die Planung.

Aber dann hat der Kleine uns wirklich überrascht. Er schnurrte über die Straßen wie geschmiert. Wir wagten uns auf gerader Strecke sogar auf die Autobahn und knackten fast die Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h. Bereits am zweiten Tag haben wir unsere geplanten Etappen deutlich ausgedehnt. Über das Elsass erreichten wir bei Lyon das Rhonetal. Ab Orange führte die Route Richtung Süd-Osten ins Herz der Provence und nach Tourves. Und dann waren wir im Jahr 1965 angekommen. Mit großem Hallo wurden wir empfangen. Waren wir doch die einzigen Deutschen hier und dann auch noch auf eigener Achse angereist – die spinnen die Germanen. Mit deutscher Gründlichkeit waren wir die ersten, die sich für das Spektakel angemeldet hatten. Das bescherte uns die Teilnehmer-Nr. 1.

Picard - Bouchon de Tourves - 2019Picard - Bouchon de Tourves - 2019Picard - Bouchon de Tourves - 2019Picard - Bouchon de Tourves - 2019Picard - Bouchon de Tourves - 2019Picard - Bouchon de Tourves - 2019Picard - Bouchon de Tourves - 2019

Das war Spaß und Freude pur. Die durchgehende Sitzbank bietet wirklich angenehmen Fahrkomfort auch bei langen Tagestouren. Und man sitzt so gemütlich beieinander. Mit den praktischen Schiebefenstern ist jede Klimaanlage überflüssig. Und die gute Stimmung spiegelt sich auch außerhalb des Autos wieder. Der Ami 6 zaubert einfach allen Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Daumen hoch, Nicken und Winken, freundliches Hupen oder Blinken – wo wir auch fuhren, gab es anerkennende Bewunderung und Begeisterung. Autofahrer auf der Überholspur passten sich unserem Tempo an, um in Ruhe unseren Ami 6 bestaunen zu können. Manch einer blieb sogar auf dem Zebrastreifen einfach vor dem Auto stehen.

Zur Erholung gab’s Urlaub am Meer, natürlich über die legendäre Corniche des Crêtes, auf den Spuren von James Bond. Den Heimweg hatten wir durch die französischen Alpen geplant. Über Grenoble fuhren wir zum Genfer See. Hier schmückten wir den Ami schließlich mit der Schweizer Autobahnplakette, die wir dann auch eifrig nutzten. So wurde diese Reise auch eine persönliche Tour in die Vergangenheit. Haben wir doch auf fast dieser Route vor fast 45 Jahren unseren ersten gemeinsamen Urlaub gemacht.

Piucard - Corniche de Cretes - 2019

Dann packte uns der Übermut und wir wollten es wissen. Schaffen wir den Mont Ventoux, der Gigant der Provence, über 1500 m Höhenunterschied auf 21 km mit Steigungen bis zu 12 %? Zwischen unzähligen Radfahrern arbeiteten wir uns nach oben. Geschafft! Und nicht mal heiß geworden.

Picard - Mont Ventoux - 2019

Glücklich und zufrieden, mit vielen herrlichen Erfahrungen und Erlebnissen sind wir ohne Pannen wieder in Ingelheim angekommen. Werkzeugtasche und Ersatzteile wurden ungenutzt wieder ausgepackt. Ein wenig Öl und knapp 5 Liter auf 100 km haben dem genügsamen Ami 6 ausgereicht, das Abenteuer ‚Provence‘ mit uns zu erleben. Der kleine Freund hat seinem Namen alle Ehren gemacht. Unser Fazit: man muss es einfach wagen!

Michaela Picard

Ami 6 – Tour in die Vergangenheit
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